Worum geht es?

Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit haben das Ziel, für die betroffenen Bürger/-innen die Altlastensanierung auf ihren Grundstücken in der Vorbereitungs- und Umsetzungsphase transparent und nachvollziehbar zu machen und die Möglichkeit der direkten Beteiligung an der Vorbereitung von Entscheidungen zu ermöglichen.

Dies erfordert eine ergebnisoffene Diskussion und den Verzicht auf den Gebrauch ordnungsbehördlicher Instrumente (z.B. Anordnungen).

Öffentlichkeitsarbeit

Die von HIM-ASG und dem Bürgerbeteiligungsbüro durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit wurde zielgruppenspezifisch strukturiert entwickelt. Es wurden eine Basis-Informationsbroschüre sowie Broschüren zum Projektsachstand (Dokumentation der Arbeiten, 2-jährig), Bürgerbriefe und Bürgerinfos herausgegeben. Ihre Aufgabe war die stetige Information von Multiplikatoren (Politik, Institutionen, Vereine etc.) über die wichtigsten Aktivitäten und Leitlinien des Sanierungsprojekts.

Darüber hinaus wurde die Sanierung durch filmische Dokumentationen für die Öffentlichkeit plakativ dargestellt.

Die Information der betroffenen Bürger/-innen vor und während der Sanierung wurde durch die sanierungsbegleitenden Informationen sichergestellt. Hierbei handelt es sich um aufeinander abgestufte Bürgerversammlungen und regelmäßige schriftliche Bürgerinfos zu bestimmten Phasen der Sanierungsdurchführung. Öffentlichkeitsarbeit sollte

  • aktiv sein, d.h. wichtige Themen- und Problemfelder aufgreifen und auf direktem Weg für die jeweilige Zielgruppe artikulieren. Öffentlichkeitsarbeit sollte als Mittel genutzt werden, auf Sanierungsbetroffene und die interessierte Öffentlichkeit zuzugehen, um sie in die Sanierungsdiskussion einzubeziehen.
  • frühzeitig sein, d.h. von Anfang an zeitnah zu den Geschehnissen im Projekt informieren und aufklären, auch um Betroffene im Rahmen der Beteiligungsmöglichkeiten in Entscheidungsvorgänge einzubeziehen.
  • umfassend sein, d.h. Projektinhalte umfassend darstellen. Hierzu zählt die Anwendung vielseitiger sich ergänzender Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit.
  • kontinuierlich sein, d.h. regelmäßig und in gewohnten Formen zielgruppenspezifisch informieren.

Grundsätze der Bürgerbeteiligung

  • alle Interessen berücksichtigen,
  • bei der Artikulation von Interessen der Betroffenen unterstützen,
  • Transparenz von Entscheidungen herbeiführen,
  • Zugänglichkeit zu Informationen ermöglichen,
  • frühzeitig und kontinuierlich Beteiligungsprozess durchführen,
  • Konsens und Kooperation fördern,
  • unabhängig und vertraulich arbeiten,
  • Vertrauensbildung durch intensive Kommunikation schaffen,
  • soziale, rechtliche und finanzielle Dimension von Altlastensanierung für Betroffene berücksichtigen.

Projektbeirat

Bereits vor der Verabschiedung des Hessischen Altlastengesetzes (1995), in dem die Einrichtung von Projektbeiräten in besonderen Fällen vorgesehen ist, hat die Hessische Landesregierung auf die Institutionalisierung des Dialogs mit der Bevölkerung bei der Sanierung von bewohnten Altlasten gesetzt. 1993 gründete sich hierzu der "Projektbeirat Altlasten Stadtallendorf". Er bildete einen Schwerpunkt der Bürgerbeteiligung mit Perspektive auf den Gesamtstandort. Im Projektbeirat wurden Konzepte, Maßnahmen und Planungen von Seiten der Projektleitung und des Landes erläutert und gemeinsam diskutiert.

Der Projektbeirat wurde bei der Diskussion übergeordneter Interessen, der Vorbereitung sanierungsrelevanter Entscheidungen und bei der Vermittlung von Informationen und Ergebnissen beteiligt. Er bot die Chance, das Vorgehen auf die Interessen der Beteiligten besser abzustimmen und den wechselseitigen Informationsfluss kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Er konnte jedoch nicht in allen Fragen und Einzelheiten tätig werden. Die direkte Klärung von Fragen mit Grundstückseigentümern/-tümerinnen, Gewerbetreibenden und Bewohnern/-wohnerinnen war vor Ort erforderlich. Über das » BürgerBeteiligungsBüro konnten Fragen und Anregungen an den Projektbeirat weitergegeben werden.

Der Projektbeirat setzte sich aus Initiativen und Vereinigungen betroffener Bürger/-innen (Interessengemeinschaft, Industriegemeinschaft), aus Politik und Verwaltung (Stadt und Kreisebene), gesellschaftlichen Gruppen (z.B. DGB, BUND) und Vertretern von Institutionen zusammen, die dem besonderen Charakter des Standortes entsprachen (Bundeswehr, Ausländerbeirat).

Laut Satzung (Präambel) hatte der Projektbeirat "die Aufgabe und das Ziel, den breit getragenen Kompromiss zwischen Sachfragen, rechtlichen Rahmenbedingungen und politischen Entscheidungen herzustellen."

BürgerBeteiligungsBüro (BBB)

Anlaufstelle für Bewohner/-innen und Öffentlichkeit

Als eine wesentliche Säule des von der Gesamthochschule Kassel (GHK) entwickelten Beteiligungsmodells wurde im November 1994 das BürgerBeteiligungsBüro als gemeinsame Einrichtung der HIM-ASG und der Stadt Stadtallendorf gegründet. Personell wurde es durch je einen Mitarbeiter der HIM-ASG und der Stadt Stadtallendorf besetzt. Die Finanzierung ertolgte zu 90 % durch das Land und zu 10 % durch die Stadt Stadtallendorf.

Dem Konzept der GHK entsprechend, sollte das BBB die örtliche Informations- und Beratungseinrichtung und kontinuierlich verfügbare Anlaufstelle für die Bewohner/-innen und die interessierte Öffentlichkeit sein. Es sollte direkte Ansprechmöglichkeiten bieten sowie den Informationsfluss in alle Richtungen organisieren. Dabei sollte es ausdrücklich der Stärkung und Unterstützung der Betroffenen im Sanierungsprozess dienen. Es sollte die Partizipationsschwelle senken und die Artikulation bis dahin lediglich latenter Interessen auch der weniger engagierten Bevölkerung fördern und damit im Sinne einer Konfliktprävention aktiv werden.

Aufgaben

  • Vorbereitung und Durchführung von Informationsveranstaltungen mit HIM-ASG und RP Gießen für Betroffene und Interessierte zu allen wesentlichen Meilensteinen bzw. Weichenstellungen im Projektverlauf,
  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
  • Vorhaltung eines Archivs mit umfangreichen Dokumentationen zum Projektstand bzw. -Beschaffung und Erläuterung relevanter Projektdaten,
  • Erreichbarkeit im örtlichen Büro bzw. Baustellen-vor-Ort-Büro und über Mobiltelefon zur zeitnahen Klärung von Problemen,
  • Persönliche Beratung Betroffener vor Ort (auch vertraulich),
  • Artikulation und Vertretung der Interessen der Betroffenen in den verschiedenen Gremien,
  • Geschäftsführung Projektbeirat Altlasten Stadtallendorf.

Alle vorgenannten Maßnahmen dienten der frühzeitigen, umfassenden und transparenten Information und Beteiligung der Öffentlichkeit und der Betroffenen. Seine besondere Wirksamkeit entfaltete das BBB durch die persönlichen Gespräche mit den Betroffenen. Als Voraussetzung für seine erfolgreiche Arbeit wurde das BBB als weitgehend eigenständige Institution behandelt, die der Stadt Stadtallendorf und der HIM-ASG gegenüber zwar rechenschaftspflichtig, aber nicht weisungsgebunden war. Für die erfolgreiche Arbeit des BBB war es wesentlich, dass alle Verantwortlichen grundsätzlich hinter dem Beteiligungs- und Konsensprinzip standen und alle Projektmitarbeiter/-innen eine große Bereitschaft zur Kooperation mit dem BBB zeigten. Die Unbequemlichkeiten des Dissenses der Interessen wurden akzeptiert. Dadurch konnte der Raum, den Konsens zu finden, entstehen.

Sanierungsvereinbarung und flurstücksbezogene Regelungen

Die Sanierungsvereinbarung ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den von der Sanierung betroffenen Eigentümern, Mietern und Nutzern eines Grundstücks und dem Land Hessen. In dieser Vereinbarung werden Rechte und Pflichten der beiden Vertragsparteien geregelt.

Die Sanierungsvereinbarung ersetzt ordnungsbehördliches Vorgehen.

Die Inhalte der Sanierungsvereinbarung wurden zwischen dem Land Hessen, der Stadt Stadtallendorf, dem Projektbeirat und dem BBB in langwierigen Verhandlungen erarbeitet. Das Verhandlungsergebnis gibt den Betroffenen weitreichende Rechte und stellt sie frei von den Kosten der Sanierung.

Bisher konnten planbar und ohne nennenswerte Störungen Sanierungen auf zahlreichen Privatgrundstücken durchgeführt werden; ein Beweis dafür, dass mit den Sanierungsvereinbarungen eine Basis für die Abwicklung der Sanierung gefunden wurde.

Neben der Sanierungsvereinbarung werden in den flurstücksbezogenen Regelungen alle Details festgeschrieben, die für den praktischen Ablauf der Sanierung auf dem jeweiligen Grundstück notwendig sind:

  • Umfang der Rodung
  • Gartenplanung
  • Materialsicherung
  • Beweissicherungsgutachter
  • Gebäude-Wiederherstellung
  • Entschädigungen
  • zeitweiser Ersatzwohnraum oder Hotelaufenthalt
  • Bauzeiten (z.B. "samstags nur nach Abstimmung mit den Betroffenen" etc.)